Hallo nochmal,
naja, das ist ja alles auf dem Papier schon richtig, aber zumindest würde ich mir von der
Rückkehr zu einer integrierten und dem Gemeinwohl verpflichteten Eisenbahn schon trotzdem so einige Vorteile für die reale Praxis versprechen:
- Rückkehr zu einem regionen-übergreifenden und wesentlich einheitlicheren Fahrzeugpark, anstatt daß wie heute für jedes EVU und oft auch für jedes Wettbewerbsnetz spezifische und kaum tauschbare Fahrzeugflotten beschafft werden
- somit Rückkehr zu ausreichender lokaler Fahrzeugreserve, statt daß wie heute jedes EVU oft für jedes Wettbewerbsnetz einzelne Reserven vorhalten müsste (und wer heute eben mehr oder praxistauglichere Reserven einplant, als unbedingt vom Besteller auf dem Papier gefordert, der gewinnt halt selten den Auftrag)
- ebenso hätte man dann wieder nur ein
gemeinsames, flexibler einsatzbares Team an Lokführern und Technikern usw. für den Betrieb, anstatt daß wie heute jedes EVU jeweils eigenes Personal hat, welches zwecks Gewinnung von Aufträgen natürlich immer auch sehr knapp bemessen ist, und nicht ohne weiteres tauschbar ist
- somit wäre dann auch eine permanent abrufbare lokale Personalreserve wieder viel eher machbar als heute
- ganz wichtig: einheitliche Disposition und Informationsverteilung, statt wie heute mit x-verschiedenen Beteiligten verschiedener Unternehmen und Subunternehmen, mit vielen EVU‘s, mehreren Instanzen beim EIU und dazu noch separatem Stationsbetreiber, mit großen Reibungsverlusten an den Schnittstellen, unterschiedlichen Systemen, die nicht zusammenpassen usw.
- konsequent einheitliche Finanzierung des flächendeckenden Erhalts, der stetigen Modernisierung und dann ggf. - nur wenn wirklich notwendig - des Neubaus von Infrastruktur
- Rückkehr zu lokalen Bahnmeistereien, die flexibel die gerade am dringendsten anstehenden Arbeiten ausführen können, statt wie heute verschiedenste Subunternehmen mit manchmal fragwürdiger Spezialisierung
- einheitliche Interessenlage bezüglich Fahren und Bauen
- gemeinsame Durchführung von Reise- und Güterverkehr, mit entsprechenden Synergien, dort wo noch möglich
- konsequenter Netzgedanke im Bahnverkehr, statt Aufteilung in Sparten wie Fern-, Nah- und Güterverkehr
- …
Und noch so Einiges mehr. Ob das nun in obigem Fall etwas geholfen hätte? Ich denke schon. Man hätte vielleicht mehr personelle/fachliche Unterstützung für den Tf verfügbar gehabt, um beim Havaristen schneller den Fehler zu finden und ihn schneller wieder fahrbar zu bekommen. Man hätte vielleicht den gestrandeten Reisenden leichter einen Ersatzzug organisieren können, statt auf den ebenfalls verspäteten nächsten Planzug zu verweisen, was wohl zumindest mit so mißverständlicher Information erfolgte, daß einige Reisenden dachten, sie kämen nicht mehr heim. Sind halt nicht nur Bahnexperten unterwegs …
Letztlich geht es mir aber nicht um diesen Einzelfall, weshalb ich immer wieder mit dem Thema beginne, sondern mir geht es um das
Gesamtbild, daß das „System Eisenbahn“ in Deutschland gegenüber seinen Kunden heutzutage häufig abgibt. Und natürlich geht es mir auch um den Blick hin zur unverändert sehr starken gummibereiften Konkurrenz, und darum, ob eine Verkehrswende oder auch nur der Erhalt des Status Quo unter jetzigen Bedingungen realistisch ist. Mit der jetzigen zerklüfteten Organisationsstruktur im Bahnsektor bin ich da eher pessimistisch. Einen verlässlich funktionierenden Deutschlandtakt kann man darauf m.E. nicht aufbauen.
Ob man nun unbedingt gleich zur Beamtenbahn vor 1994 zurückmuß? Ich denke, es genügt schon, wenn man sich die 1994 durchgeführte Reform endlich genau und ehrlich und ohne Lobby-Interessen bahnfremder Berufsgruppen ansieht (und dazu auch die Erfahrungen aus anderen Ländern mit einbezieht) und dann einen konsequent anderen Weg einschlägt. Wobei die Tatsache, daß die Bundesbahn eine
eigene Behörde mit entsprechenden Befugnissen war, aus meiner Sicht schon auch vieles leichter gemacht hat. Denn das heutige EBA wäre z.B. auch ein Thema für sich.
Gruß
223 061