Weil das immer gern mißverstanden wird, möchte ich vorwegschicken, daß ich als Eisenbahnfreund und Bahnkunde den verschiedenen EVU und EIU grundsätzlich
neutral gegenüberstehe. Und bei deutschlandweiter Betrachtung bleibt ja ohnehin auch festzustellen, daß die Auftragnehmer für den kleinteilig ausgeschriebenen SPNV inzwischen meist nur noch zu wenigen großen Unternehmensstrukturen gehören, und daß alle weitgehend in ähnlichem Maße - natürlich sehr stark schwankend je nach Region und nach jeweiliger Lage - gefühlt zunehmend Schlechtleistungen abliefern.
Was ich bezüglich der kleinteiligen Ausschreibungspraxis im SPNV schon immer kritisiere, das ist, daß leichtfertig Verträge unter Annahme des theoretischen Idealfalls eingegangen werden. Unerwartete Probleme und Widrigkeiten, die ein größeres Maß an Reserven - sowohl personeller als auch technischer Art - erfordern würden, führen dann immer schnell zu Leistungsausfällen. Wer mit mehr Reserven und weniger Risiko plant, um die Anforderungen mit höherer Wahrscheinlichkeit erfüllen zu können, der bekommt eben den Auftrag nicht, ungeachtet der Aussagen der Aufgabenträger bezüglich Qualitätskriterien. Das ist systembedingt.
Auch behaupte ich schon immer, daß die
kleinteilige Ausschreibungspraxis den
regionenübergreifenden Austausch von Ressourcen und ein trotzdem flächendeckend ausreichendes Angebot bei Mangelsituationen erheblich erschwert, sogar nahezu verhindert. Denn ein Unternehmen wird nicht aus Netz A, wo gerade ein eher unnötig erscheinender Halbstundentakt läuft, Ressourcen abziehen können zum Netz B, wo aus akuten Gründen gerade fast alles ausfällt. Denn es ist ja ein ganz anderer Vertrag, ein anderer Auftraggeber, eine ganz andere Kalkulation, vielleicht ein anderes Subunternehmen usw. So wie einst beim Üfex, so sieht man auch anderswo überall: Selbst wenn real ohnehin schon Ressourcenmangel in bestehenden Netzen des betreffenden Unternehmens herrscht, bewirbt man sich trotzdem auf neue Verkehre, auch wenn die Ressourcen dafür nur auf dem Papier existieren. Denn sonst macht es eben ein anderer, der noch mehr Risiko eingeht. Und bei Fahrzeugmangel zusätzliche Gebrauchtfahrzeuge von woanders holen macht man eben auch nur sehr ungern, weil die ja zusätzliche Kostenfaktoren bedeuten, die in der Kalkulation des jeweiligen Klein-Netzes nicht vorgesehen sind.
Alles in allem bin ich immer noch der Meinung, daß marktwirtschaftliche Prinzipien im kleinteiligen SPNV nicht greifen können, weil das System dafür viel zu träge ist, und weil verschiedene Anbieter immer nur nacheinander und mit großer Verzögerung zum Zuge kommen. Damit regelt sich die Qualität und die Verlässlichkeit der Leistung in der Praxis eben
nicht über marktwirtschaftliche Prinzipien. Vielmehr handelt es sich laut Gesetz ja immer noch um
Daseinsvorsorge. Die Aufgabenträger stehen m.E. nicht in der Pflicht, einen superdichten Takt oder einen regional manchmal unnötig hohen Komfort zu bieten. Sondern aus meiner Sicht stünden sie stattdessen
vor allem in der Pflicht, in allen Regionen einen gleichermaßen
dauerhaft verlässlichen SPNV zu organisieren. Und dieser Pflicht kommen sie oft leider nicht nach, und sie haben viel zu wenige Hebel zum Gegensteuern.
Gruß
223 061
Edit:
Zu den Hintergründen meiner Anmerkung verweise ich vor allem auf die regelmäßigen Berichte der Forenmitglieder im Unterforum Allgäu-Werdenfels.
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 18.02.23 09:02.
