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Hi-NOBF: 125 Jahre Schnaittachtalbahn Neunkirchen am Sand - Simmelsdorf-Hüttenbach (m21B)

05. Dezember 2020 12:16
Hallo zusammen,

heute, vor genau 125 Jahren, am 5. Dezember 1895, fuhr zum ersten Mal ein Zug von Neunkirchen am Sand über Schnaittach nach Simmelsdorf.


(1) Lage der Schnaittachtalbahn

Die Geschichte der Strecke geht bis auf das Jahr 1870 zurück, als eine direkte Bahnverbindung zwischen Nürnberg und Bayreuth geplant wurde. Neben einer Streckenführung über Schnaittach, Simmelsdorf, Betzenstein und Pegnitz standen drei weitere Varianten zur Wahl.

Schließlich wurde am 15. Juli 1877 die heutige Hauptstrecke von Nürnberg durch das Pegnitztal über Hersbruck, Neuhaus und Pegnitz nach Bayreuth eröffnet.

Besonders in Schnaittach war man davon enttäuscht, denn die Marktgemeinde hatte damals bereits rund 1700 Einwohner und einen regen Handel. Als Ersatz bezeichnete man den fünf Kilometer entfernten Bahnhof in Neunkirchen am Sand bis zum Jahr 1970 als „Schnaittach Bahnhof“.

Die Schnaittacher setzten sich weiter für einen direkten Bahnanschluss ein. Da ein Endpunkt in Simmelsdorf einen größeren Einzugsbereich erschließen und ein höheres Ertragspotenzial als eine nur fünf Kilometer lange Strecke Neunkirchen–Schnaittach bieten würde, einigte man sich im Jahr 1892 auf den Bau einer Stichstrecke von Neunkirchen nach Simmelsdorf, die im Dezember 1895 eröffnet wurde. Drei Züge pro Tag fuhren damals pro Richtung, gezogen zunächst von Dampflokomotiven der Baureihe D VI.

Zwischen 1962 und 1963 wurden die Dampfloks der Baureihe 64 durch Dieselloks der Baureihe V100 ersetzt.


(2) 211 022 trägt 1992 beim Rangieren in Simmelsdorf noch ihr altes Farbkleid von 1961.

Später war ozeanblau-beige angesagt. Die Bundesbahn zeigte sich einerseits in einem strengen und konservativen Farbschema, andererseits solide und zuverlässig. Die Züge fuhren „bei jedem Wetter“ und „pünktlich wie die Eisenbahn“.


(3) 211 050 ist im Februar 1991 mit einem K-Wagen in Simmelsdorf angekommen und setzt gerade um. Gleich wird sie ihn an die Kopf- und Seitenrampe schieben, damit die Ladewagen für die BayWa entladen werden können:


(4) Im Herbst 1991 verlässt dieser Güterzug, bespannt von 211 060, Simmelsdorf.

Planmäßig fuhr die Baureihe 211 nur bis zum Jahr 1984 mit Reisezügen nach Simmelsdorf.


(5) Der Einsatz vor…


(6) … und hinter einem Silberling-Wendezug, noch dazu mit einem „Hasenkasten“-Steuerwagen wie hier Anfang 1991 war eine Ausnahme.

Ab 1992 wurden die Güterzüge von der Baureihe 290 bespannt.


(7) 290 384 rangiert im Jahr 1992 in Simmelsdorf

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann mit dem Automobil der schleichende Niedergang der einst fortschrittlichen Bahn im Schnait­tachtal. Immer wieder wurden einzelne Züge gestrichen oder Gleise abgebaut.

Im Jahr 1984 stellte die Deutsche Bundesbahn den Personenverkehr am Wochenende ein und den fortan nur noch „werktags außer samstags“ stattfindenden Nahverkehr auf Triebwagen der Baureihe 614 um.


(8) Im April 1997 zuckelt 614 032 bei Simmelsdorf Richtung Neunkirchen. Im Hintergrund die Pfarrkirche Bühl.

Im September 1994 fuhr der letzte Güterzug. Was die Bundesbahn stets damit begründete, „den Unterhalt der Strecke wirtschaftlicher zu gestalten und die Strecke damit in ihrer Existenz zu sichern“, war damals für kritische Eisenbahnfreunde nur „Salami-Taktik“, der scheibchenweise Rückbau.

Nur die insgesamt vier Farbvarianten der Baureihe 614 sorgten für etwas Abwechslung im Zugverkehr.


(9) Im Mai 1998 pendelte diese bunte, aber chronologisch falsch sortierte Garnitur im Schnaittachtal, aufgenommen in Neunkirchen am Sand. Hinten orangerot-kieselgrau (ab 1972), vorne minttürkis-weiß (ab 1987), in der Mitte verkehrsrot (ab 1996):

Und hier noch die vierte Farbvariante:

(10) Während die in Nürnberg stationierten 614er der ersten Bauserie ab Werk in den Pop-Farben orangerot-kieselgrau ausgeliefert wurden, trug die zweite in Braunschweig stationierte Serie das typische Farbkleid der 1980er Jahre: ozeanblau-beige. Der Einsatz eines solchen Endwagens im Januar 1993 in Simmelsdorf war eine Ausnahme. Ozeanblau beigefarbene Mittelwagen des Vorläufermodells 934 wurden dagegen regulär eingesetzt.

Zum 100-jährigen Jubiläum der Strecke im Jahr 1995 feierte das Schnaittachtal ein großes Fest und die fast vergessene Eisenbahnlinie kehrte ins Bewusstsein der Bevölkerung zurück.


(11) Fröhliche Menschenmassen und pompöse Blasmusik begrüßen am Samstag, 16. September 1995 den offiziellen Jubiläumszug in Neunkirchen am Sand bespannt von 86 457 und 50 3688:

Nach dem Umsetzen der 86er von Spitze auf Schluss fanden die weiteren Pendelfahrten am Jubiläumssamstag in „Sandwich-Traktion“ statt. Grund dafür war, dass in Simmelsdorf das Gleis 1 durch Ausstellungsfahrzeuge belegt war.

Am Sonntag, 17. September 1995 wurden zwei Zuggarnituren eingesetzt, die sich stündlich in Schnaittach kreuzten.


(12) Bespannt von 86 457 und 50 3688 auf der Neunkirchener Seite…


(13) … sowie V80 002 und V200 007 auf der Simmelsdorfer Seite.

Bahn und Politiker stellten in ihren Festreden große Angebotsverbesserungen in Aussicht, die jedoch nicht realisiert wurden.

Als dann auch noch ein gut besetzter Pendlerzug gestrichen werden sollte, um das Kreuzungsgleis in Schnaittach „einzusparen“, regte sich Widerstand in der Bevölkerung.

Aus der Protestbewegung heraus gründete sich im Juni 1996 die Interessengemeinschaft Schnait­tachtalbahn e.V. mit dem Ziel, die Strecke zu erhalten und zukunftsfähig zu gestalten.

Dazu entwickelten die Vereinsmitglieder ein Zukunftskonzept, das der Verein nach einjähriger Arbeit 1998 öffentlich und in den politischen Gremien vorstellte.

Kernidee war, dass die Strecke nur erhalten werden kann, wenn genügend Fahrgäste mitfahren. Die Bevölkerung wollte mehrheitlich eben nicht nach Neunkirchen fahren, wo fast alle Züge „versandeten“. Tägliche schnelle Direktverbindungen von Simmelsdorf über Lauf nach Nürnberg sollten die erforderliche Nachfrage generieren.

Ab Mai 2000 wurden drei Direktverbindungen in den Fahrplan aufgenommen.

Erstmals seit 1984 verkehrten außerdem wieder planmäßig lokbespannte Reisezüge auf der Schnaittachtalbahn, denn die dreiteiligen Dieseltriebwagen der Baureihe 614 boten im Schüler- und Berufsverkehr zu wenig Platz für die steigenden Fahrgastzahlen. Anfangs wurden ein, später zwei und zeitweise bis zu fünf Zugpaare pro Tag einer Diesellok der Baureihe 218 und bis zu fünf Silber-, Grün- oder Rotlingen gefahren.

Nach jahrelangen Rückbauten wurde dafür extra der Bahnsteig in Schnaittach provisorisch verlängert:

(14) Aufnahme vom Mai 2020, „Schublok“ war übrigens 218 405-9


(15) 218 225 passiert am 2. Juni 2006 mit der Rückleistung des nachmittäglichen Schülerzuges die Weiher bei Schnaittach auf dem Weg nach Nürnberg. Hoch über dem Tal thront die Festung Rothenberg.

Seit Juni 2001 fahren die Züge montags bis freitags stündlich umsteigefrei bis Nürnberg.


(16) Am 11. Januar 2008 erreichten mit 648 302/802 und 648 304/804 erstmals zwei moderne, spurtstarke und niederflurige Dieseltriebwagen den Bahnhof Simmelsdorf und läuteten eine neue Ära auf der Schnaittachtalbahn ein. Das Umfahrgleis lag damals noch, war jedoch schon außer Betrieb und mit den Resten der Einfahrweiche „belegt“.

Fahrplan gut, alles gut? Nicht ganz. Im Jahr 2009 gelang es dem Landtagsabgeordneten Dr. Thomas Beyer, dass die Schnaittachtalbahn als einzige Strecke in Mittelfranken in das Konjunkturpaket II aufgenommen wurde. Während der Sommerferien wurden die Bahnsteige in Simmelsdorf, Hedersdorf und Rollhofen abschnittsweise gesperrt und Stück für Stück umgebaut. Schnaittach folgte im Mai 2010.

Im Juli 2012 erfolgte in Simmelsdorf die Demontage aller Gleise bis auf ein verbleibendes Bahnsteiggleis.


(17) Rückblick: 211 044 hat im Jahr 1992 einen Wagen mit Kohle im Ladehof zugestellt. Dort, wo der Rangierer absteigt, um die Weiche in Grundstellung zu bringen,…


(18) … steht heute der Prellbock der Schnaittachtalbahn.

Eine Rarität war ab November 2015 der Bahnübergang in Hedersdorf, der es sogar in die BR-Fernsehsendung „Quer“ schaffte. Aufgrund des hohen Straßenverkehrsaufkommens musste der Bahnübergang mittels Posten gesichert werden.


(19) Eine Dreifachtraktion 648 geführt von 648 801 passiert am 26. Juli 2016 auf dem Weg nach Simmelsdorf die „lebende Schranke von Hedersdorf“ und das extra dafür aufgestellte Klohäuschen.

Seit Juni 2017 sichert eine automatische Schrankenanlage den Verkehr.

Wegen Fahrzeugmangel fuhren gelegentlich Triebwagen der Baureihen 610 und 612 nach Simmelsdorf.


(20) Am 21. September 2018 passiert 612 115 den „Häffakniedla-Sta“ zwischen Rollhofen und Speikern.

Seit März 2019 kommt zusätzlich zur Baureihe 648 (LINT 41) die längere Version als Baureihe 622 (LINT 54) zum Einsatz.

Das heutige Zugangebot ist bis zum Jahr 2031 von der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG), einem Unternehmen des Freistaats Bayern, bei DB Regio bestellt. Für die Zeit danach gibt es Pläne zur Aufwertung als S-Bahn-Strecke. Die Dieselzüge sollen dann durch elektrisch betriebene Züge ersetzt werden.


(21) So bleibt zu wünschen, dass der Schnaittachtalbahn eine blühende Zukunft bevorsteht, wie hier am 5. Juli 2011 zwischen Hedersdorf und Schnaittach.

In diesem Sinne: Alles Gute zum Geburtstag!

Wünscht
Dominik Sommerer

Über mich:
Ich bin während meiner Kindheit direkt neben dem Bahnhof Simmelsdorf aufgewachsen, war zehn Jahre lang Vorsitzender der Interessengemeinschaft Schnaittachtalbahn, habe das Zukunftskonzept Schnaittachtalbahn mitentwickelt und ein spannendes Buch („Die Bahn-Rebellen vom Schnaittachtal“) über die jüngere Geschichte dieser Strecke verfasst.
Thema Autor Klicks Datum/Zeit

Hi-NOBF: 125 Jahre Schnaittachtalbahn Neunkirchen am Sand - Simmelsdorf-Hüttenbach (m21B)

Dominik Sommerer 2230 05. Dezember 2020 12:16

Re: Hi-NOBF: 125 Jahre Schnaittachtalbahn Neunkirchen am Sand - Simmelsdorf-Hüttenbach (m21B)

Schwandorfer 721 06. Dezember 2020 12:53



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