Hallo 223 061,
Die im Diagramm dargestellte Bo'Bo'-Lokomotive ist keine Vectron. Bei der Vectron fällt die Zugkraft im ersten Bereich linear ab und ist nicht konstant bei 320 kN. Ich vermute eher es handelt sich hier um eine fiktive Lok, die hier dargestellt ist... Diese abfallende Gerade ist z.B. hier [
www.schienenfahrzeugtagung.at] auf Seite 5 noch für eine Anfahrzugkraft von 300 kN zu sehen. Die seit einiger Zeit mögliche Anfahrzugkraft von 320 kN verschiebt ja nur die Gerade parallel nach oben. Bei 300 kN liegt der Übergangspunkt von der Gerade zur Parabel bei ca. 88 km/h, bei 320 kN bei ca. 80 km/h.
Bei dem Diagramm in dem von Dir verlinkten Artikel zur Euro9000 muss man aber darauf achten, für welche Züge Fahrwiderstands-Kurven angesetzt wurden: 1600 t, 2000 t und 2400 t auf jeweils 16‰ und 20‰ Steigung. In diesem Zusammenhang sollte man sich m.E. schon fragen, ob das tatsächlich dem Standard entspricht oder eher Ausnahmefälle?
Laut ETR Artikel “Hat der Einzelwagenverkehr (EV) in Europa noch eine Chance?”, 2012 (Link zur Vorschau [
eurailpress-archiv.de] ) betrug im deutschen Schienengüterverkehr die durchschnittliche Bruttomasse 1094 t im Einzelwagenverkehr, 2007 t im Ganzzugverkehr und im Kombinierten Verkehr 1046 t; im Gesamtdurchschnitt 1140 t… Auch auf dem Rhein-Alpen-Korridor beträgt der Durchschnitt in Richtung Süden 1450 t bzw. in Richtung Norden 1550 t ( [
www.corridor-rhine-alpine.eu] Seite 12). Natürlich ist die Tendenz dazu da, längere (Stichwort 740-m-Züge) und schwerere Züge fahren. Ein 740 m langen Containerzug z.B. besteht aus rund 35 vierachsige Wagen mit je ca. 20 t Leermasse und kann 105 TEU's ("Twenty-foot Equivalent Unit", entspricht einem 20'-Container) transportieren. [
www.forschungsinformationssystem.de] Im Durchschnitt wiegt eine TEU 11,8 t (siehe Geschäftsbericht 2020 KombiVerkehr, [
www.kombiverkehr.de] Seite 6: 20,3 Mio. Bruttotonnen / 1,72 Mio. TEU =11,8 t). Der mit "durchschnittlichen TEU's" vollbeladene Wagenzug entspricht in etwa einem 2000-t-Zug. Realistischer ist aber eher eine geringere Auslastung. Bei etwa 72% Auslastung sind hat der Wagenzug eine Masse von ca. 1600 t. Diese oben im Artikel genannten Zugmassen liegen somit deutlich über dem Durchschnitt eines gemischten Zuges oder eines Containerzuges. Sie entsprechen natürlich dem "typischen" Anwendungsgebiet einer sechsachsigen Lok: Ganzzüge mit 22 bis 26 Wagen und einer Wagenzugmasse von 2000 bis 2400 t.
Und bezüglich Steigung: Schauen wir uns mal drei (ausgewählte) wichtige Haupt-Güterverkehrskorridore in Deutschland an (siehe auch [
de.wikipedia.org] ):
* Skandinavien–Mittelmeer-Korridor: Hamburg-Hannover-Göttingen-Bebra-Würzburg-Treuchtlingen-Ingolstadt-München-Rosenheim-Kufstein: Max. 13‰ (um Cornberg), ansonsten deutlich flacher
* Rhein-Alpen-Korridor: (Rotterdam/Amsterdam)-Emmerich-Duisburg-Köln-Koblenz-Mainz-Darmstadt-Mannheim-Karlsruhe-Freiburg-Basel: Max. 11‰ (bei Wuppertal), ansonsten deutlich flacher
* Rhein-Donau-Korridor: (Straßburg) - Kehl – Karlsruhe – Mannheim – Darmstadt–Würzburg- Nürnberg – Passau: Max. 21‰ auf der Spessartrampe, aber nur auf einer Länge von 900 m, ansonsten max. 12,5‰
Natürlich gibt es auch Hauptverkehrsstrecken, wie z.B. Stuttgart-Ulm mit 22,5‰ Steigung, die größere Steigungen aufweisen, die welche aber auch nicht von der EU als Güterverkehrskorridor ausgewiesen wurden. Auch die großen Alpenquerungen (Gotthard, Lötschberg, Brenner, etc.) wurden bzw. werden ja als “Flachbahnen” neugebaut. (by the way: darf die EuroDual in den Gotthard-Basistunnel?) Die Steigung der wichtigsten Güterverkehrskorridore, wo der Großteil des Güterverkehrs stattfindet, liegt unter den im Diagramm eingezeichneten Fahrwiderstandskennlinien.
Was will ich damit sagen? Die sechsachsige EuroDual oder Euro9000 hat durchaus ihre Berechtigung. Aber sie bedient meines Erachtens nur eine “Marktlücke”, sprich den schweren Ganzzugverkehr auf ausgewählten Strecken. Für durchgehend elektrifizierte Strecken (die ja hoffentlich in Zukunft immer mehr werden) werden auch zukünftig eine Doppeltraktion zwei vierachsiger Elektrolokomotiven die wirtschaftlichere Lösung sein, siehe auch weiter unten. Ich bin daher der Meinung, dass die EuroDual oder Euro9000 keine “Revolution” auslösen hat und auch nicht wird. Der Standard werden weiterhin vierachsige Lokomotiven sein.
Zum Thema Wirtschaftlichkeit hab ich noch zwei interessante Quellen gefunden: Ich weiß jetzt nicht, was so eine EuroDual zur Zeit kostet, aber 2018 betrug der Preis wohl 5,5 Mio Euro, siehe [
railcolornews.com] Zwei Siemens Smartrons á 2,5 Mio Euro [
press.siemens.com] wären tatsächlich günstiger und hätten mehr “Power”
Auch für die Kosten einer Vectron Dual Mode habe ich eine Quelle gefunden: [
eurailpress-archiv.de] Dort steht wörtlich:
Quote
”Redaktion - DER EISENBAHNINGENIEUR”
Der Listenpreis würde etwa 15 % über dem Listenpreis des Vectron DE liegen – und „der hat 3,3 Mio. EUR gekostet“.
D.h. 2019 hat die Vectron Dual Mode rund 3,8 Mio gekostet. Für die Differenz zwischen einer EuroDual und einer Vectron Dual Mode bekommt man fast (oke, nicht ganz
) noch eine Siemens Smartron obendrauf. Auch aufgrund der hohen Kosten einer EuroDual wird m.E. der zukünftige Markt übersichtlich bleiben. Aber wir werden es sehen, wie sich die Verkaufszahlen weiter entwickeln
VG,
EP3/5
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 18.05.22 22:03.