Willkommen! Anmelden Ein neues Profil erzeugen
Themenübersicht Neues Thema Suche Datenschutzerklärung Impressum

Erweiterte Suche

Ein paar Gedanken dazu...

07. Mai 2022 23:32
Hallo extirschenreuther,

Quote
extirschenreuther
Ein Teil des Containerbooms ist natürlich der Tatsache zu verdanken, dass sich die Bahn aus der Fläche zurückgezogen hat und dass es oft günstiger ist, Container die letzten km mit dem LKW zu fahren.
Wie Du selber schreibst: Zum Teil mag dieser Zusammenhang stimmen. Aber für den großen Rest ist das m.E. nur bedingt richtig... Die Zusammenhänge sind deutlich komplexer... Der Großteil der ISO-Container sind im Seehafenhinterlandverkehr unterwegs. Sprich die Container kommen entweder von Hamburg, Rotterdam, Antwerpen oder einem anderen Hafen bzw. sind auf den Weg zu einem. Der Container-Boom auf der Schiene wird primär durch den Seeverkehr getrieben. Und dort nimmt der Containerverkehr durch die Globalisierung zu.

Einen Rückschluss vom Rückzug der Bahn aus der Fläche, hin zum Containerboom kann man m.E. nicht oder nur bedingt ableiten. Der Container-Boom entwickelte sich, weil die Unternehmen in den letzten Jahrzehnten immer globaler agieren und sich Deutschland von einer Industriegesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft wandelte. Aus der Veränderung der deutschen Wirtschaft folgt eine Stagnation oder ein Produktionsrückgang in der Grundstoffindustrie (z.B. Stahl, Grundchemikalen, etc.) und gleichzeitig ein steigender Anteil von hochwertigen Konsum- und Investitionsgütern. Die Folge ist ein Rückgang von Massengut- und eine Zunahme von Stückgut-Verkehren, den wir als Containerboom wahrnehmen. Und das hat wesentliche Auswirkungen auf die Eisenbahn, die ihre Stärke vor allem in der hohen Massenleistungsfähigkeit hat. Stichwort Güterstruktureffekt.

Der Rückzug der Bahn aus der Fläche ist m.E. keine Folge aus dem Container-Boom, sondern eine parallele Entwicklung, die auf die gleiche Ursache zurück geführt werden kann: da in Deutschland immer weniger eisenbahnaffine Güter produziert und verbraucht werden, sinkt auch der Bedarf an Zugangsstellen zum Schienengüterverkehr. Die Folge ist der Rückzug der Bahn aus der Fläche.

Neben den wirtschaftlichen Veränderungen muss in diesem Zusammenhang auch der Wandel in der Energieerzeugung genannt werden: während früher ein Großteil der Unternehmen ihren Energiebedarf mittels einer Dampfmaschine und entsprechend Mengen Kohle/Heizöl deckten, findet man das heute kaum noch. Stattdessen decken die Unternehmen ihren Energiebedarf über das Stromnetz und/oder Gasnetz. Anstatt vieler kleine Verbraucher in der Fläche sind es heute die großen Kraftwerke, die mit Brennstoffen beliefert werden. Auch das ist ein Grund für den Rückzug der Bahn aus der Fläche...

Beispiel Textilindustrie: Diese wurde ja nicht nur mit textilen Grundstoffen beliefert, vielmehr machte die zur Energieerzeugung genutzte Kohle den mengenmäßig größten Anteil der mit der Bahn transportierten Güter aus. Wenn die Produktion dann auch noch nach Asien verlangt wurde und in Deutschland die fertigen Jeans nur noch empfangen werden, müssen auch keine textilen Grundstoffe transportiert werden. Und auch zu deren Herstellung braucht es in Deutschland keine Chemikalien mehr (zum Bleichen, Färben, etc....). Während früher viele Einzelteile per Bahn transportiert werden wurden, muss heute nur noch die fertige Jeans von Hamburg im Container nach Bayern gefahren werden...

Aber nicht nur in der Industrie, sondern auch bei vielen Haushalten gab es deutliche Veränderungen, die Auswirkungen auf die Bahn hatten: an die örtliche Kohlehandlung (vielleicht sogar mit Gleisanschluss) kann sich sicher der ein oder andere noch erinnern. Aber wer heizt bitte heute noch mit Kohle? Auch der Anteil der Ölheizung sinkt kontinuierlich. Viele steigen auf Gas (na gut, aus anderen Gründen ist das zur Zeit aber auch keine gute Alternative...) oder gleich auf Wärmepumpen, Solaranlagen, Holz etc... Und wieder sind weniger eisenbahnaffine Güter in der Fläche unterwegs...

Mit dem abnehmenden Transportvolumen sinkt natürlich auch die Rentabilität eines Gleisanschlusses. Aber wenn ein Gleisanschluss geschlossen wird, muss der im gleichen Zug bediente andere Gleisanschluss umso rentabler sein, damit noch eine Kostendeckung zu gewährleisten ist... Kann der das nicht, ist das (Achtung Ironie) "guter Grund" gleich diesen auch zu schließen...

Dazu kommt (um die Lkw aus Deinem Beispiel aufzugreifen), dass der Lkw-Verkehr in den letzten Jahrzehnten sich immer weiter verbessert hat: die Lkw wurden größer und schwerer, wodurch sie mehr transportieren können. Gleichzeitig nahm die Motorsierung zu, sodass die Lkw auch noch schneller fahren konnten. Was war die Folge? Die Kosten und damit die Frachtpreise sanken. Und was passierte gleichzeitig auf der Schiene? Eine Pessimist würde sagen: nichts. Ein Optimist: zu wenig... wir fahren immer noch mit der vielleicht im 19. Jahrhundert "hochmodernen" Schraubenkupplungen durch die Gegend und unsere Güterwagen im Einzelwagenverkehr müssen x-mal behandelt (manuelle Bremsproben, Wagenkontrolle, im Rangierbahnhof mehrmals über den Ablaufberg, etc...) werden, bevor sie das machen, wofür sie da sind: Güter von A nach B fahren. Der Auflistung könnten wir sicher noch ein paar Punkte hinzufügen...

Erschwerend kommt noch hinzu, dass Container auch denkbar ungeeignet für den Einzelwagenverkehr sind: durch die Anordnung der Ladetüren an der Stirnseite der Container, muss der Container zu Be- und Entladung eigentlich immer runter vom Güterwagen. Und die dafür notwendige Ausrüstung (Kran, Reach-Stacker, etc.) ist bekanntermaßen nicht ganz günstig... Ein Lkw hat es da leichter: der kann rückwärts, ohne dass spezielle Ausrüstung notwendig ist, an eine Ladebucht ranfahren. Eine zentraler Umschlagpunkt, um die Umschlagkosten gering zu halten, und die letzte Meile per Lkw zu fahren macht daher durchaus Sinn.

Der Rückkehr der Bahn in die Fläche muss daher meines Erachtens durch mehr Umschlagpunkte erfolgen und nicht dadurch, dass wieder jedes Unternehmen einen Gleisanschluss bekommt.

Soviel von meiner Seite dazu... einen schönen Abend, wünscht,
EP3/5



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 07.05.22 23:38.
Thema Autor Klicks Datum/Zeit

Pläne der DBAG für KV-Terminal Regensburg-Burgweinting (mL)

223 061 1199 01. Mai 2022 07:52

Re: Pläne der DBAG für KV-Terminal Regensburg-Burgweinting (mL)

extirschenreuther 568 03. Mai 2022 09:00

Re: Pläne der DBAG für KV-Terminal Regensburg-Burgweinting (mL)

223 061 544 07. Mai 2022 19:46

Ein paar Gedanken dazu...

EP3/5 481 07. Mai 2022 23:32

Re: Ein paar Gedanken dazu...

extirschenreuther 580 08. Mai 2022 21:45

Re: Ein paar Gedanken dazu...

extirschenreuther 478 08. Mai 2022 22:20

Re: Ein paar Gedanken dazu...

Bullok 354 05. Juni 2022 16:32

ISO-Container im Einzelwagenverkehr

EP3/5 410 07. Juni 2022 11:19



In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.

Klicke hier, um Dich einzuloggen